Es ist passiert: Corona trifft auf Legionellen …
In der Märzausgabe 2020 der OIZ haben wir auf die Gefahren von Legionellen im Trinkwasser hingewiesen, am Beginn der Pandemie. Wir nahmen Bezug auf den rechtlichen und örtlichen Geltungsbereich der Trinkwasserverordnung (TWV) und den Handlungsbedarf des Liegenschaftseigentümers bzw. des Verwalters. Wir haben über die geltenden Normen geschrieben und wie wichtig es ist, stehendes Wasser in den Leitungen zu vermeiden. Seither gab es insgesamt drei harte Lockdowns, manche Betriebe, vor allem im Tourismusbereich, waren monatelang geschlossen. Das große Aufsperren kommt nun in ganz Österreich, daher nun in dieser Ausgabe Tipps, wie Betreiber adäquat vorgehen sollten.
Leider haben zahlreiche Gebäude in Österreich die Lockdowns gar nicht gut überstanden. Durch den Stillstand des Wassers aufgrund der – teilweisen – Nichtbenützung der Gebäude und damit auch der Sanitäranlagen, konnten sich ansehnliche Populationen der Gattung Legionella spp. und anderer Tierchen, wie die Kaltwasserkeime der Gattung Pseudomonas aeruginosa, entwickeln.
Sowohl Covid-19 als auch Legionella spp. verursachen Lungeninfekte. Eine doppelte Infektion erhöht jedenfalls das Risiko eines sehr schweren Verlaufs der Krankheit. Und auch Pseudomonaden können – insbesondere bei immunsupprimierten Personen – lebensbedrohliche Erkrankungen verursachen.
Schon im Sommer 2020 mussten in ganz Österreich die Sanierungsteams ausrücken, um Trinkwasserleitungen wieder in einen brauchbaren Zustand zu versetzen. Umfassende Probenahme-Routinen sind erforderlich, um die kontaminierten Stränge und Armaturen zu identifizieren. Je nach Persistenz der Keime, der technischen Gegebenheiten und der Größe der Liegenschaften lagen die Sanierungskosten zwischen fünf und 15 Euro pro m² Nutzfläche. Kosten und Umstände, die sich die Betreiber besser erspart hätten.
So mussten zum Beispiel in einem großen Wiener Bürogebäudekomplex mit rund 25.000 m² Nutzfläche über rund 310 Entnahmestellen teilweise thermisch, teilweise chemisch desinfiziert werden. Eine thermische Desinfektion konnte dort durchgeführt werden, wo alle Leitungsabschnitte samt Armaturen für rund 10 min auf eine Temperatur von über 70 °C gebracht werden konnten. Dort, wo dies nicht möglich war, wurde eine chemische Desinfektion des Trinkwassersystems durchgeführt. Das Desinfektionsmittel muss mehrere Stunden im Leitungssystem verbleiben, danach müssen die Leitungen sorgfältig freigespült werden.
Oft treten im Zuge der Sanierung Verstopfungen der Abfallrohre auf, weil sich der in den Fallrohren angesetzte Schmutzfilm löst. Ein Kanalreinigungsunternehmen sollte daher während der gesamten Sanierungsaktivitäten in Bereitschaft stehen.
Betroffen sind vor allem Bürogebäude, deren Sanitäreinrichtungen aufgrund der Homeoffice-Regelungen weniger intensiv genutzt wurden und daher in einem Teil der Trinkwasserleitungen der regelmäßige Durchfluss fehlte. Die Tierchen finden im stehenden Wasser optimale Vermehrungsbedingungen vor und können mitunter den kompletten Steigstrang kontaminieren. Aber auch Hotels und Gastronomiebetriebe stehen im Fokus, wenn sie nicht geordnet stillgelegt und die Wasserleitungen zu Beginn des Lockdowns entleert wurden. Die Trinkwasserverordnung schreibt die regelmäßige Befundung und Probenahme des Trinkwassers in Gebäuden vor. Dazu gehört auch eine Mängelanalyse der Trinkwasseranlage im Haus ab der Wasseruhr, denn ab hier liegt die Qualität des Trinkwassers in der Sphäre des Eigentümers und Betreibers. Das richtige Setzen von Probenahmeventilen für die regelmäßige Überprüfung kann gleich im Zuge der Befundung erledigt werden.
In Wohnobjekten sind jährliche Intervalle einzuhalten, in gewerblich oder touristisch genutzten Objekten bestimmt die Art der Nutzung das Untersuchungsintervall.
Die Probenahme muss durch zertifizierte Probenehmer erfolgen. Selbst gezogene Proben sind nicht gerichtsfest und erfüllen auch nicht die Sorgfaltspflicht des Eigentümers. Der Probenehmer muss außerdem in die Akkreditierungsstruktur des auswertenden Labors eingebettet sein. Auch die Analyse und Auswertung der Ergebnisse muss von einem akkreditierten Labor vorgenommen werden.
Da die Zurverfügungstellung von einwandfreiem Trinkwasser im Gebäude zu den Verkehrssicherungspflichten des Betreibers gehört, ist es gerade jetzt wichtig, vor der Wiederbesiedelung von Hotels und Ferienwohnungen, Büro- und Handelsbauten Probenahmeprogramme zu organisieren und sicherzugehen, dass keine mikrobielle Kontamination der Trinkwasserleitungen und Armaturen vorliegt.
Jetzt handeln, damit wir das Coronavirus nicht gegen Legionella tauschen …!
Gutes Trinkwasser auch nach dem Lockdown
Zehn Tipps zur rechtssicheren Wiederinbetriebnahme der Trinkwasserleitungen:
- Tipp 1: Verfügt das Gebäude über eine automatische Zirkulation, sind Sie wahrscheinlich auf der sicheren Seite und können mit einfachen Maßnahmen, bei großen Anlagen am besten zusammen mit einem Expertenteam, die Trinkwasseranlage wieder in Betrieb nehmen.
- Tipp 2: Liegt keine automatische Zirkulation vor, prüfen Sie, ob der Spül-plan eingehalten wurde und alle Leitungen vollständig an allen Auslässen regelmäßig – also mindestens alle 72 Stunden – während der Stilllegung gespült worden sind. Unter Auslass verstehen wir jeden Wasserhahn, jeden Schlauchanschluss, jedes WC und jeden Duschkopf, jeden Waschmaschinenanschluss und jede Bassena auf dem Gang.
- Tipp 3: Sind Sie unsicher, ob die Zirkulation in Betrieb war oder der Spül-plan eingehalten wurde? Dann wenden Sie sich an einen Experten oder eine Expertin, um das Risiko einer Verkeimung anhand der vorhandenen Informationen einschätzen zu lassen.
- Tipp 4: Sollte ein Verkeimungsrisiko festgestellt werden, ist eine Beprobung des Trinkwassers auf Legionella spp. nach ON ISO 11731 und andere Keime durch einen zertifizierten Probenehmer notwendig.
- Tipp 5: Lassen Sie bei dieser Gelegenheit die Trinkwasseranlage insgesamt auf technische Mängel überprüfen. Das betrifft die Anordnung, Ausführung und das Material der Rohrleitungen und der Ventile, aber auch den Zustand des hauseigenen Wasserfilters.
- Tipp 6: Lassen Sie gut zugängliche Probenahmeventile an den richtigen Stellen setzen, damit die Beprobungen aussagekräftige Werte über das gesamte System liefern und Kosten in der Wartung und Instandhaltung eingespart werden können.
- Tipp 7: Wird eine Verkeimung festgestellt, beauftragen Sie umgehend ein befugtes Unternehmen mit der Sanierung. Die Sanierung verzögert die Inbetriebnahme, daher rechtzeitig beproben!
- Tipp 8: Für die Freigabe der Trinkwasseranlage zur Nutzung nach dem Lockdown beauftragen Sie ein einschlägiges Ingenieurbüro oder einen Ziviltechniker.
- Tipp 9: Um für den zukünftigen gesunden und rechtssicheren Betrieb gerüstet zu sein, entwerfen Sie einen periodischen Beprobungsplan zusammen mit einem Spül- und Wartungsplan für die Trinkwasseranlage.
- Tipp 10: Eine regelmäßige Risikobewertung kann bei Großanlagen den Aufwand und die Kosten optimieren.