ESG als entscheidender Faktor für die Finanzierung von Immobilien
Elena Graf-Burgstaller, Head of Real Estate bei der Dean Capital Strategies GmbH, hat sich für IMMOBILIEN AKTUELL Gedanken zum Thema Green Washing im Finanzsektor, über Leitlinien zur Kreditvergabe sowie zu dem Verhältnis von Banken zur Nachhaltigkeit gemacht.
Ein aktuelles Thema unserer Zeit nach Corona ist mit Sicherheit die Nachhaltigkeit. Die drei Säulen – Ökologie, Soziales, Unternehmensführung oder auch ESG genannt – gehören zu unserem Alltag. Diese Tatsache wurde auch in Brüssel erkannt und mit verschiedenen Verordnungen versucht, die Immobilien in Richtung Nachhaltigkeit zu steuern.
Herzstück 1 der ESG-Regulierung: EU-Taxonomieverordnung
Die zwei wichtigsten Verordnungen in diesem Zusammenhang sind die EU-Taxonomieverordnung und die EBA-Leitlinien. Erstere hat ihren Schwerpunkt bei der Ökologie und ist nach zwei Jahren Vorbereitungszeit seit Juni 2020 in Kraft. Ihre Hauptziele: Unterstützung des europäischen Grünen Deals ohne Netto-Treibhausemissionen bis zum Jahr 2050 sowie ein einheitliches und nachhaltiges Finanzwesen in der EU. Diese Verordnung betrifft auch alle Finanzmarktteilnehmer, die Produkte im EU-Raum anbieten und/oder Wertpapiere emittieren.
Mit ihren sechs Umweltzielen:
- Klimaschutz,
- Anpassung an den Klimawandel,
- nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeres- Ressourcen,
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
möchte die Verordnung die ökologische Nachhaltigkeit der Investitionen fördern und Transparenz und Einheitlichkeit gegen Green Washing schaffen.
Herzstück 2 der ESG-Regularien: EBA-Leitlinien
Die zweite Verordnung kommt von der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) und heißt „Leitlinien zur Kreditvergabe und Kreditüberwachung“. Sie ist seit Mai 2020 in Kraft und sieht drei Übergangsphasen vor, in denen alle drei ESG-Säulen und deren Kriterien in die Beurteilung von Finanzierungen implementiert werden müssen. Die erste Übergangsphase endete am 30. Juni 2021 und bis dahin mussten die Banken die ESG-Kriterien bei Neuverträgen berücksichtigen.
Bis 30. Juni 2022 muss sich dieser Vorgang auch auf alle neu verhandelte Bestandsverträge erstrecken und bis 30. Juni 2024 sollte das gesamte Bestandsgeschäft davon erfasst werden. Die Banken sind derzeit beschäftigt, ein neues Nachhaltigkeitsrating oder einen ESG-Score ihrer Geschäftspartner zu erstellen.
Nachhaltigkeit für kompletten Kreditzeitraum entscheidend
Die ESG-Faktoren werden einen Einfluss auf die Risikobeurteilung und die Kreditkonditionen haben. Bedeutet: Nachhaltige Objekte, bessere Konditionen. Und: Sie sind ausschlaggebend während der gesamten Kreditlaufzeit. Die Herausforderungen für die Banken sind mit der Tatsache verbunden, dass die Bestandskunden ein neues Rendite-Risiko-Profil und die Bank selbst ein neues Umweltrating bekommen muss.
In Zukunft wird es eine gezielte Kreditvergabe für Investitionen in umweltfreundliche Technologien und Gebäude geben. Die grünen Zertifikate gewinnen an Bedeutung und müssen an die neuen Verordnungen angepasst werden. Mittlerweile fordern Mieter, institutionelle Investoren und Ratingagenturen grüne Zertifikate an. Die Banken haben längst Projektgruppen für die Umsetzung der Leitlinie formiert und arbeiten an der Definition von grünen Kriterien, erweitern ihre existierenden Ratingsysteme, ermitteln vergleichbare Immobilien als Referenzwerte und bewerten ihre bestehenden Portfolios neu.
Die Banken sind zurzeit nicht nur mit der Umsetzung von neuen Nachhaltigkeitsverordnungen beschäftigt, sondern auch mit der Entwicklung von neuen Produkten, wie von subventionierten Transformationskrediten für Gebäudesanierungen im Zusammenhang mit der Implementierung der ESG-Kriterien. Dadurch, dass derzeit alles in Wandlung ist, sind die Firmen gut beraten, wenn sie einen Berater konsultieren, der ununterbrochen mit vielen Banken Rücksprache hält und weiß, wo sie gerade stehen, welche Unterlagen sie verlangen und welche Produkte sie neu anbieten.
Finanzielle Belastung durch ESG
Ein anderer essentieller Aspekt der Nachhaltigkeit ist der Kostenfaktor. Es ist zu erwarten, dass besonders bei älteren Gebäuden die Capital Expenditures (Capex) massiv ansteigen, weil die Gebäude nach der ersten Säule der ESG-Kriterien adaptiert werden müssen. Beispiele dafür sind die klimatisch bedingten neuen Anforderungen an die Gebäude im Zusammenhang mit der Kühlung.
Die steigenden Ansprüche an die Schnelligkeit, Qualität und Stabilität der Internetverbindung führen auch zum Thema Glasfaser und deren Kosten. Dazu kommen der Einbau von Elektroladestationen für Autos oder als Folge der weltweiten Pandemie der Wunsch nach leistungsstärkeren Luftreinigungssystemen. Im Zusammenhang mit der zweiten ESG-Säule entstehen gerade neue Bürokonzepte, derer Umsetzung mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
Aufmacherfoto: ESG als entscheidender Faktor für die Finanzierung von Immobilien. Copyright: (links) Mizianitka auf Pixabay; (rechts) PwC